Die Kirchensteuer – ein Erbe der Nazis
Die Kirchensteuerpflicht wurde von den Nationalsozialisten eingeführt und wird begründet
– bei Religionsmündigen durch den Eintritt in eine Kirche oder
– durch einen religiösen Akt der Eltern an einem Kind oder Säugling (Taufe) ohne dessen Mittun oder Einverständnis. Dabei ist es vorgekommen, dass Kinder in nichtchristlichen Familien von den christlichen Hausangestellten oder anderen Familienangehörigen heimlich getauft wurden, um die Kinder „vor der Hölle zu bewahren“. Von jüdischen Familien wurden gerne christliche Hausangestellte genommen, weil diese z.B. nicht an das Sabbatgebot gebunden waren. Auch auf diesem Wege wurde eine Kirchensteuerpflicht begründet, ohne dass das Kind davon Kenntnis bekam. Beim späteren Eintritt in das Berufsleben oder bei einem Erbe entstand die Steuerpflicht.
Wenn eine Person (Einkommen-)steuerpflichtig wird, muss auf der Steuerkarte oder Steuererklärung die Konfessionszugehörigkeit angeben werden, damit der Arbeitgeber die Kirchensteuer an das Finanzamt abführen kann. Das ist ein Verstoß gegen die Verfassung, nach der niemand zur Offenlegung seiner Weltanschauung gezwungen werden kann. Nicht nur bei kirchlichen Arbeitgebern ist ggfls. mit großen Nachteilen zu rechnen.
Wenn jemand in den Einzugsbereich einer Kirche zieht, woher auch immer, wird geprüft, ob die Angabe „Keine Konfession“ stimmt. Dazu wird (von der Kirche oder dem Finanzamt?) am Geburtsort des Steuerpflichtigen oder alten Kirchenbüchern recherchiert, ob eine Taufe stattgefunden hat. Wenn ja, ist auch rückwirkend eine Kirchensteuer fällig. Es spielt keine Rolle, ob die Person jemals Kontakt mit der Religionsgemeinschaft hatte oder überhaupt nur von der Taufe wusste. In der früheren DDR wurde die Taufe oft aus politischen Gründen nicht publik gemacht, auch nicht gegenüber den Kindern. Trotzdem entstand durch die Taufe eine Kirchenmitgliedschaft und damit eine Steuerpflicht. Ob und wieweit aus Billigkeitsgründen eine Rückwirkung geltend gemacht wird, ist Ermessenssache.
Ist eine Kirchensteuerpflicht festgestellt, zieht das Finanzamt (zusammen mit der Lohn- bzw. Einkommensteuer) die Kirchensteuer ein. Notfalls wird ein Zwangsverfahren durchgeführt, das auch zu hohen Strafen führen kann (bis zu 10 Jahren Freiheitsentzug).
Wiederum verstößt die Kirchensteuer gegen das Gebot der Trennung von Staat und Kirchen. Keine andere Organisation kann ihre Mitgliedsbeiträge (zwangsweise) vom Finanzamt einziehen lassen.
Besonderes Kirchgeld: Tritt ein Ehepartner aus der Kirche aus, muss der andere als Ausgleich ein besonderes Kirchgeld bezahlen.
Um der Kirchensteuerpflicht zu entgehen ist gegenüber einer staatlichen (!) Behörde (meist Standesamt) persönlich der Austritt aus der Kirche zu erklären. Schriftlich oder fernmündlich ist nichts zu machen. Anders als bei anderen Verwaltungsakten (z.B. einer Ummeldung) ist diese Erklärung gebührenpflichtig und wird erst nach einer Karenzzeit (Kündigungsfrist) gültig. Erklärte Absicht für diese Regelung ist die Abschreckung von Austrittswilligen.
Bernd Kockrick